Die Fotografien in Uwe Pipers neuen Arbeiten konfrontieren den Betrachter auf der einen Seite mit Themen, die bereits in sich ambivalent im Sinne von mehrdeutig, widersprüchlich oder auch zwiespältig sind, andererseits wird die Ambivalenz durch die Gegenüberstellung zweier Fotografien erst geschaffen. Ein Beispiel für den ersten Fall ist die berühmte Umgestaltung von Leonardos „Letztem Abendmahl“ durch Renato Casano. Der bekannte Plakatmaler setzte statt Christus und seine Jünger Hollywood-Filmlegenden an die Abendmahltafel. Ein Widerspruch, wie er nicht größer sein könnte. Religion wird durch Konsum ersetzt, ein Thema,das sehr passend unsere Zeit charakterisiert. Andere Motive zeigen die Ambivalenz in ihrer Gegenüberstellung auf. So wird der berühmte sozialistische Bruderkuss zwischen Breschnew und Honecker kombiniert mit einer Reihe primitiv gemalter Kopfbilder, die sich durch übergroße Münder, Zähne und Lippen auszeichnen. Diese Gegenüberstellung lässt zwangsläufig den Bruderkuss zur Karikatur seiner selbst werden. Ein weiteres Beispiel von Ambivalenz sind zwei Fotografien zum Thema „Deutschland“. Eine Fotografie zeigt die deutsche Flagge, die wie ein Trauertuch über eine Vitrine gehängt wurde. Demgegenüber ein Graffiti, welches das Volk der damaligen DDR zeigt, wie es Freiheit, Demokratie, Mauerfall und freie Wahlen fordert. Der Wunsch derer, die nach diesen Zielen streben, kehrt sich bei denen, die diese Ziele bereits erreicht haben, oft ins Gegenteil um. Aber auch Themen aus dem religiösen Bereich werden von Uwe Piper aufgegriffen. Die Skulptur eines seiner Arme beraubten Christus hängt einsam und unbeachtet an der Außenwand eines Gebäudes. Im Vordergrund sieht man Fahrräder, so dass der Eindruck vermittelt wird, dass diese Christusfigur nicht einmal mehr in einem religiösen Umfeld seinen Platz gefunden hat. Demgegenüber die Abbildung eines Gemäldes mit der innigen Anbetung des Christuskindes. Zwei Christus-Darstellungen sind hier kombiniert, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite das im Mittelpunkt liegende Christuskind, welches alle Aufmerksamkeit auf sich lenkt, auf der anderen Seite der leidende, verhärmte Christus, alleine und unbeachtet auf einem öffentlichen Fahrrad-Parkplatz.

Uwe Piper schafft immer wieder mit seinen Fotografien, das Besondere einzufangen, Dinge zu hinterfragen, Vorhandenes neu zu interpretieren und damit dem Betrachter Anreize zum Nachdenken zu geben. Widersprüche und Mehrdeutigkeiten kennzeichnen zunehmend unsere Gesellschaft, unsere Politik und unsere Gegenwart. Die Welt, die uns umgibt, ist voll von Widersprüchen und „alternativen Fakten“, wie es die Beraterin von Donald Trump, Kellyanne Conway, formulierte. Uwe Piper zeigt uns anhand seiner Fotografien ein Bild dieser Welt, das wir leider oft schon nicht mehr wahrnehmen, obwohl wir eigentlich täglich damit konfrontiert werden.

Andreas Beumers, M.A; Kunsthistoriker