Über die Zeit
Was ist geblieben?
Nichts mehr und alles. Nämlich,
Was war, das ist und wird sein,
Auch gegen sich selbst.
Zuviel aber ist umsonst,
Und was mir schien,
Scheint nicht länger.
(Hölderlin)
Die Bilder des Fotografen Uwe Piper sind Zeugen einer vergangenen Wirklichkeit. Die Spuren, die durch die Zeit entstanden, sind von vielfältigem ästhetischen Reiz.
Er benutzt die Fotografie als Werkzeug, um das Entdeckte festzuhalten, es aus der vormaligen Realität zu lösen und ihm eine neue Bedeutung und Wirklichkeit zu geben. Dabei legt er den Bildausschnitt oft so fest, dass das eigentliche Motiv nicht mehr erkennbar ist.
So bekommt die Vergänglichkeit der Dinge eine poetische Anziehungskraft. In einer Art Transformation entstehen abstrakte Bilder und für den Betrachter neue visuelle Erfahrungen.
„Über die Zeit“ – Kunstraumno.10 – Mönchengladbach:
Der Ausstellung des in Heinsberg lebenden Künstlers Uwe Piper wird etwas Besonderes anhaften. Bei der Betrachtung seiner Arbeiten stellt sich unwillkürlich die Frage, was man vor Augen hat. Ist es Malerei, sind es Zeichnungen? Bei näherem Hinschauen erblickt man feine Übermalungen, augenscheinlich kräftige Pinselstriche, collageartige Abrisse oder plastisch aus dem Bildgrund heraustretende Formen. Die Bildsprache deutet auf Abstraktionen. Zwar kann man auf einigen Arbeiten figurative Elemente erblicken, die sich aber bei genauerem Hinsehen als ungegenständliche Formen manifestieren. Die Arbeiten Uwe Pipers fordern den Betrachter heraus. Sie machen neugierig und warten auf ihre Entschlüsselung. Vielleicht gibt der Titel der Ausstellung Hinweise? „Über die Zeit“ betitelte Uwe Piper seine Ausstellung im Mönchengladbacher [kunstraumno.10]. Was auf den ersten Blick nicht wirklich zur Entschlüsselung beiträgt, kann aber bei Betrachtung einzelner Arbeiten zu ersten Hinweisen führen. Vier Arbeiten der Ausstellung entstanden in Pisa und sechs Arbeiten in Calci, einem kleinen Ort in der Toskana. Pisa, bekannt durch seinen frühmittelalterlichen Dom, dem Baptisterium und dem nahestehenden „schiefen Turm“. Calci wird Ihnen wenig sagen. Im Gegensatz zu Pisa steht Calci für Uwe Piper als Synonym für die Jetztzeit. Vergangenheit und Gegenwart werden in den Arbeiten gegenübergestellt. Pisa zumeist gradlinig, fast konkret, Calci expressiv und trotz immer wiederkehrender Grundformen von Waagerechte und Senkrechte in dauernder Bewegung. Vielleicht ein Zeichen unserer Zeit? Uwe Piper treibt das Spiel aber noch weiter. Die Arbeiten aus Calci zeigen Abrisse vergangener Jahre, Monate und Wochen und können auch innerhalb der Jetztzeit als Zeitbilder verstanden werden. Schicht für Schicht erschließen sich einem die Bilder. Uwe Piper ist ein Künstler, dessen wichtigstes Werkzeug nicht Pinsel oder Meißel, sondern das Auge ist. Der Blick für das Ungewöhnliche kennzeichnet seine Arbeiten. Uwe Pipers Kunst kann mit dem Begriff „Objet trouvé“ überschrieben werden, da sein künstlerischer Gestaltungswille von vorgefundenen Sujets lebt, die Uwe Piper in immer wieder neuen Varianten in seine Kunst einbezieht. Dies ist das Besondere an der Kunst Uwe Pipers: Dinge neu zu sehen und damit neu zu erleben, Dinge zu hinterfragen.
Die Kunst Uwe Pipers steckt voll Geheimnisse, die man ergründen sollte. Daher die Aufforderung: Schauen Sie sich die Arbeiten Uwe Pipers in der Ausstellung „Über die Zeit“ an und stellen Sie sich der Herausforderung! Sie werden es nicht bereuen!
Andreas Beumers, Kunsthistoriker