AGRAR – Skulpturen und Landschaften
6. November – 31. Dezember 2005 Kreismuseum Heinsberg

Uwe Pipers künstlerisches Werk ist vielfältig. Am Beginn seiner Beschäftigung mit der Fotografie stand jahrelang der Mensch im Zentrum seiner Aufmerksamkeit. Dann entfernte sich sein Blick immer mal wieder von den Menschen, um sich der Welt in der sie leben und den Dingen, die sie umgeben, zuzuwenden.

Typisch für Piper ist das Arbeiten in Serien, die immer eine thematische Bindung zeigen. Bis zum Ende der 90ziger Jahre arbeitete er ausschließlich mit analogen S/W Aufnahmen. Diese Festlegung gründete einerseits in dem ihm eigenen Perfektionismus, die Aufnahmen bis zum Ende nicht aus der Hand geben zu müssen. Hier war die Entwicklung des S/W Bildes im eigenen Labor noch eher zu bewerkstelligen als die technisch wesentlich komplexere des Farbbildes; andererseits drückte sich hier aber auch seine eigene künstlerischen Handschrift aus, die Bildfindung immer auch als Abstraktionsprozess begreift. Im größeren Umfang arbeitet er erst farbig, seit Anfang 2000 mit der Hinwendung zu digitalen Bildbearbeitungsmöglichkeiten, die ihm auch beim Farbfoto, dem im Gegensatz zum S/W Bild naturgemäß realitätsnaheren Bild, Abstraktionsmöglichkeiten bieten.

Die S/W Bilder der Ausstellung entstanden alle seit der Mitte der 80ziger (85) bis in die Mitte der 90ziger Jahre hinein. Die Farbarbeiten entstanden zwischen 2003 und 2005 und zeigen farbliche und formale digitale Bearbeitungen.
Alle Aufnahmen dieser Ausstellung sind in der Region entstanden.
Sie zeigen Strohmieten, verpackt und unverpackt, auf landwirtschaftliche Anhänger geladen und Ansichten dieser typischen flachen Agrarlandschaft im Grenzraum mit ihren endlos weiten Feldern, die sich bis zum Horizont zu erstrecken scheinen.

Die Serie Agrarskulpturen und Landschaften zeigt eine sehr reduzierte nüchterne Bildsprache. Sie unterscheidet sich z. B. formal stark von der sehr dem subjektiven Erleben entsprungenen eigenwilligen Serie „Von Innen nach Außen“, die ihn in den 80ziger Jahren einem größeren Publikum auch in den grenznahen Gebieten der Niederlande bekannt machte. War es damals eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Medium der Fotografie (die durch Doppelbelichtungen mit dem inszenierten Zufall spielte) so könnte man im Falle der heute gezeigten Serie von einem eher dokumentarischen Stil sprechen.
Aber ist es das wirklich?

Ohne Zweifel durchziehen das künstlerische Werk von Uwe Piper dokumentarische, sprich bewahren wollende Qualitäten. Piper ist sich dieser Tatsache bewusst, – aber Dokumentation, das Anstreben von möglichst objektiver Gegenstandsbeschreibung, ist nie Hauptimpuls seiner Arbeit, es ist etwas was immer nebenbei sozusagen mit abfällt. Hier zum Beispiel, die Strohmieten, die in ihrer unterschiedlichen Form und Stapeltechnik auch historische Veränderungen in der landwirtschaftlichen Technik ausweisen.

Die Fotografie ruft vielleicht wie kein anderes künstlerisches Medium den Eindruck oder sagen wir besser die Erwartung von Realitätswiedergabe beim Betrachter hervor. Gerade der gewisse dokumentarische Charakter der Fotografie ist eng an die Erwartung von Wirklichkeitstreue gekoppelt.

Doch lassen Sie sich nicht täuschen, meine Damen und Herren, die Aufnahmen, die Sie hier sehen, entstammen alle einer konzeptuellen Vorgabe, d. h. einer im voraus genau gefassten künstlerischen Idee, eines Konzeptes, das starke Einflüsse sowohl auf die Selektion der Objekte als auch auf ihre formale Ausführung genommen hat.
Was bedeutet das?

Bei der Betrachtung der Strohmieten und beladenen Anhänger, die Landschaften funktionen etwas anders, zeigen aber verwandte Stilmerkmale, wird deutlich, daß Piper nicht an einer Dokumentation gelegen ist, der die agraischen Objekte in ihrem Gesamtkontext, also in ihrem natürlichen landschaftlichen Umfeld zeigen und in einem eindeutigen Größenbezug zum Betrachter stellen will. Er arbeitet immer mit den gleichen formalen Vorgaben: die Motive zeigen eine zentrische Plazierung, sie sind vom landschaftlichen Umraum weitgehendst isoliert, dadurch fehlen oft Bezugspunkte die über die tatsächliche Größe des Motivs Aufschluss geben und sie sind in Untersicht aufgenommen (niedrige Horizontlinie), was ihre objekthafte Wirkung steigert und ihnen geradezu skulpturale Züge verleiht. Piper fotografiert in der Regel bei Sonne. Die beabsichtigten Licht- und Schattenreflexe steigern die Bildwirkung, laufen aber ebenfalls einer genauen Objektwiedergabe eher zuwider.

Diese formalen Mittel führen dazu, dass der Betrachter seinen eigenen Standort diesen Bildern gegenüber nur mit Mühe einnehmen kann. Es ist nicht genau auszumachen, wie groß diese Strohmieten eigentlich wirklich sind. Das gilt auch für die Landschaftsaufnahmen. Die Landschaft erscheint hier eher als graphische Oberfläche, als Liniengeflecht und Ort flächiger hell-dunkel Kontraste, denn als topografisches Bild.

Ein weiteres Merkmal dieser Fotoserie ist ihre Statik und Bewegungslosigkeit. Pipers Fotografien sind nicht narrativ.
Nichts deutet in diesen Bildern auf die Anwesenheit des Menschen oder seiner die Landschaft aktiv in Besitz nehmenden Zeugnisse hin. Diese Aufnahmen sind leblos im wörtlichen Sinne des Wortes, frei von jeglicher Form von Lebewesen. Das Objekt steht im Mittelpunkt. Der Gegenstand gelangt zu monumentaler Wirkung. Durch das Fehlen von Handlungsabläufen stehen die Aufnahmen außerhalb der Zeit. Vergehende Zeit existiert in diesen Fotografien daher nur als Abwesenheit.
Das Thema der Zeit und Vergänglichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk von Uwe Piper.

Durch Pipers konzeptuelle Vorgehensweise der Monumentalisierung und Isolierung rein funktionaler landwirtschaftlicher Objekte in dieser Ausstellung, setzt der landwirtschaftliche Gegenstand jetzt seine eigenen Parameter. Er wird vom Betrachter als autonom empfunden und bekommt seine eigene Realität, die sich von seiner ehemals funktionalen landwirtschaftlichen Bindung abzulösen scheint und schon fast skulpturale Züge aufweist. Das Objekt wird ästhetisiert.

Dieser Stilgriff macht die Strohmieten und Erntewagen zu temporären Installationen, die in ihrer hier festgehaltenen Form nicht mehr reproduzierbar sind und nur für kurze Zeit bestehen. Das gilt auch für die Agrarlandschaften, die fortwährend im Jahresrhythmus ihr Gesicht verändern. Piper spielt auf einer unterschwelligen Bedeutungsebene bewusst mit dem Thema Vergänglichkeit und des immerwährenden Kreislauf von Werden und Vergehen in der Natur .

Durch den ästhetisierten Blick des Fotografen auf sein Motiv verändert sich unser Bild von der Wirklichkeit. Es ist das, was Piper uns hier mit dieser Serie beispielhaft und gelungen vor Augen führt.

Regina van den Berg
Künstlerische Leitung
Kunstverein Region Heinsberg